116 Versuch, einen Buben zu retten
Erzähler: Ester

Ich war 25 Jahre alt und mein Leben war sehr hart. Da mein Ehemann nicht rauchte, als er bei der Armee diente, bekam er immer etwas Geld für Zigaretten zurück. Er sparte das Geld und als er dann nach Hause kam, kaufte er sich damit ein Fahrrad (ein „Frera“, das sehr teuer war).

Ein Arzt, der in der Villa Frova in Cavasagra, einem Dorf hier in der Nähe wohnte, hatte einen Bruder, der Partisane war. Eines Tages bat er mich, einen Buben nach Resana zu bringen. Der arme Junge war in einen Graben gefallen und hatte sich den Brustkorb an einigen Holzstücken zertrümmert.

Ich hatte zwei Kinder, einen alten Mann und zwei weitere Kinder, die versorgt werden mussten, weil ihre Mutter gestorben war. Ich packte mein Verbandszeug, Alkohol und Medizin ein. Wenn ich deutsche Soldaten getroffen hätte, hätten sie mich umgebracht. Ich hatte mich gerade mit dem Fahrrad auf den Weg gemacht, als ich zwei Mitglieder der SS sah. Sie sahen furchterregend aus. Ich klopfte an die Tür des örtlichen Gasthauses, aber es hatte geschlossen. Also klopfte ich ans Fenster, aber man sagte mir, es würde für niemanden geöffnet, weil getrauert wurde. Daher fragte ich nach dem Haus von Herrn Alfonso Mason.

Als ich dort hinkam, erklärte ich, dass ich einen Buben heimbringen wollte, aber nicht wusste wie ich das anstellen sollte. Herr Mason besaß ein Pferd und einen Karren. Mit diesem fuhren wir über die Felder und mit Hilfe von zwei langen Holzbrettern gelang es uns, einen breiten Graben zu überqueren. Die Masons hatten dem Jungen Kleider ihres Sohnes angezogen und wir kamen nach Albaredo, zu mir nach Hause. Er war in einem schlimmen Zustand. Noch in der Nacht brachten wir ihn ins Krankenhaus, wo er operiert wurde. Auch seine Mutter, sein Großvater und seine Schwester waren da. Sein Vater war in Deutschland inhaftiert. Der Bub starb, weil er so schwer verletzt war. Unter einem Vordach lagen Haufen von Leichen von deutschen Soldaten.

Das Begräbnis fand am 12. oder 13. Mai statt. Natürlich nahm ich teil.