I6 Russen in meinem Haus

I6 Russen in meinem Haus

Erzähler: Angelo Borsato Reporterin: Marta Pastro



Ich bin 76 Jahre alt und mein Name ist Angelo Borsato. Am 29. April 1945 fuhren die deutschen Soldaten, welche sich zurückzogen, weil sie geschlagen worden waren, durch die Hauptstraße meines Dorfes. Ich war 17 Jahre alt und ich kann mich noch daran erinnern, dass wir sie vom Dachfenster aus beobachteten. Die Deutschen ließen ihre Lastwagen ohne Treibstoff entlang der Straße stehen und die armen Leute aus der Umgebung, stahlen alles, was sie konnten, sogar die Räder. An diesem Tag kamen um 4 Uhr Nachmittag vier Russen mit einem Fahrrad zu unserem Haus. Sie trugen Rucksäcke, Pistolen und Bomben. Sie sprachen kein Italienisch, aber einige Wörter verstanden sie. Sie baten um etwas zu essen, aber wegen des Nahrungsmangels bat meine Mutter die Nachbarin um einige Eier um etwas Polenta und Eierspeise zu machen.
Sie setzten sich hin und aßen ohne ihren Waffen los zu lassen. Als sich die Stimmung beruhigt hatte, legten drei von ihnen die Waffen nieder, außer einem, der etwas misstrauischer war. Dann zeigten sie uns einige Fotos von ihren Familien. Ich war neugierig, denn sie hatten einen dunklen Teint und ihre Augen waren wie die von Chinesen. Sie fragten, wo sie schlafen könnten, aber nur der Keller war frei, und so schliefen sie dort, am Boden auf etwas Stroh. Während der Nacht kamen sieben weitere Russen mit einer Kutsche mit sieben Pferden, welche in einem schlechten Zustand waren. Auch diese fragten um etwas zu essen und um einen Platz zum Schlafen. Aber da bei uns war kein Platz mehr, brachten sie die Pferde in unseren Stall und übernachteten in dem Stall unserer Nachbarn. Mittlerweile hatte sich herumgesprochen, dass wir einigen Russen Unterschlupf geboten hätten.
Am nächsten Morgen kamen einige Partisanen. Nachdem sie die Waffen und die Fahrräder der Russen gestohlen hatten, nahmen sie sie mit großer Arroganz und Gewalt gefangen. Mein Vater stellte sie zur Rede und sagte ihnen, dass man Gefangene nicht so brutal behandeln dürfe. Sie hörten auf ihn, weil er alt war und weil er schon im 1. Weltkrieg gekämpft hatte (er war zum „Cavaliere di Vittorio Veneto“ ernannt worden, ein italienischer Orden).
Die Pferde und die Kutsche wurden im Stall zurückgelassen. Mein Vater wollte keine Pferde züchten, er hatte „Cencio“ („Rag“) ein starkes Maultier, und so nahm unser Nachbar ein Pferd und das zweite, das verwundet war, wurde geschlachtet. Endlich hatten die Dorfbewohner wieder etwas Fleisch zu essen. Zwei Fahrräder waren noch da; unsere Nachbarn und wir behielten die Fahrräder, aber wir hatten Angst, dass die Partisanen zurückkommen würden und sie uns wegschnappten, so versteckten wir sie in der Erde bis die Gefahr vorbei war.


 

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