i17 Ein Soldat drehte durch
Erzählerin: Dosolina Furlan; Berichterstatter: Nurten Tukel
Ich bin Dosolina Furlan, lebe in Vedelago und bin 78 Jahre alt. Als Mädchen lebte ich in einem Haus mitten im Ort entlang der Hauptstraße. Während des Zweiten Weltkrieges, als sich die Deutschen zurückzogen, sah ich viele deutsche Soldaten die Straße entlang marschieren. Sie waren in Eile, weil die Amerikaner näher rückten, um die Venezianische Ebene zu befreien. Die Partisanen organisierten sich immer besser, griffen die deutschen Kolonnen an und verschleppten deren Soldaten. Sie brachten sie zum Haus der Fascio und stellten sie unter ihre Kontrolle. Die Partisanen nahmen die deutschen Soldaten sogar oft neben meinem Haus fest, weil sich dort eineStraßenkreuzung befand.
Ich erinnere mich an einen Tag, als die Partisanen gleich in der Nähe meines Hofes einige Gefangene nahmen. Einer der deutschen Soldaten konnte fliehen und versteckte sich in unserem Stall. Er löste eine der Ketten, an der unsere Kühe hingen und hielt sie als Waffe fest an sich gepresst. Dann spreizte er noch eine Gabel gegen die Tür, sodass niemand hinein konnte. Er schien verrückt zu werden. Er rannte von einer Seite des Stalls zur anderen, bis er unser haus erreichte und bei der Hintertür herein konnte. Wie von Sinnen riss er die Tür des Schlafzimmers auf, wo sich meine Verwandten und ich versteckt hatten, und schrie:“ Sterbt! Alle! Sterbt alle!“ Während er weiterschrie, zielte er mit dem Maschinengewehr, das er in seinen Händen hielt mitten in das Zimmer. Dann schrie noch einmal, dass wir alle sterben müssten. Meine Mutter sagte einige Wörter auf Deutsch zu ihm und er hörte auf zu schreien. Dann starrte er sie von Kopf bis Fuß an.
In diesem Augenblick kamen einige amerikanische Soldaten herein und hielten ihn auf, sonst hätte er uns wahrscheinlich umgebracht. Meine Mutter war Deutsche. Sie hatte meinen Vater in Deutschland getroffen, als er dort arbeitete. Sie verleibten sich, sie folgte ihm nach Italien und heiratete ihn. Ich habe nie erfahren, welche Worte sie zu dem Soldaten gesagt hatte, aber er war so schockiert und zögerte lange genug, dass wir gerettet werden konnten.
In den Tagen danach wurde viel Blut vergossen, diesmal war es deutsches Blut. Viele Deutsche starben, auch in unseren Feldern lagen tote deutsche Soldaten. Wir hatten einen Kirschenbaum, der sogar in diesem schlimmen Jahr blühte. Unter diesem Baum war soviel Blut von toten Soldaten, dass das Gras dort acht Jahre lang nicht wuchs.
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