A33 Vertreibung aus der Heimat I
Erzählerin: Josefa Baumgarten, geb. 1911 Reporter: Karoline Samm
Bis nach dem zweiten Weltkrieg wohnte ich mit meiner Familie, zwei Töchtern, Mutter und Schwester, im Dorf Romau, in der jetzigen Tschechischen Republik. Das liegt cirka drei Kilometer von Kautzen in Österreich entfernt. Damals war ich 34 Jahre alt. Mein Mann war in französischer Kriegsgefangenschaft.
An einem Tag im Mai 1945 kam mein Neffe Rudi zu uns und erzählte, dass Soldaten im Dorf Artolz die Sudetendeutschen vertreiben. Eine Stunde später waren sie auch schon bei uns, im Dorf Romau.
Die Soldaten gaben uns eine Stunde Zeit, um mit 50 kg Gepäck die Heimat in Richtung Österreich zu verlassen. Es war keine Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen. Schnell nahm ich den Kinderwagen und belud ihn mit allem, was mir gerade in die Hände fiel. Bettzeug, Kleidung für die Kinder, ein Glas Zucker und eine Pendeluhr. Meine Mutter, die eben Butter rühren wollte, nahm sich einen Tonkrug mit Rahm mit. Auch meine Geschwister und Verwandten, die ganze Dorfbevölkerung wurde vertrieben.
Nach langem Fußmarsch erreichten wir das Dorf Triglas, wo ich ein Jahr vorher ein altes Haus gekauft hatte. So hatten wir und unsere Verwandten eine Unterkunft. Vier Familien schliefen im Stall, etliche Nachbarn im Stadl, das ganze Haus war voller Leute. Der Bürgermeister von Triglas bestimmte, wohin die Flüchtlinge gebracht wurden. Da mein Mann Österreicher war, konnte ich bleiben. Meine Mutter und eine Schwester durften auch da bleiben. Vier meiner Schwestern mussten nach Satteldorf in Deutschland und eine nach Linz.
Es war ein schreckliches Erlebnis, dass ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Den alten Milchkrug besitze ich heute noch, er ist alles, was mir von meiner Heimat geblieben ist.
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