A40 Auf der Flucht
Erzählerin: Erna Hahn Reporter: Mario Hahn Schule: HS Doberberg
Mein Name ist Mario HAHN und ich habe meine Oma, Erna Hahn, nach ihrer Kindheit befragt und ich erzähle hier in ihrem Namen ihre bewegte Geschichte:
Ich wurde am 19. 5. 1939 als eines der vielen Kriegskinder in Wetzles in der heutigen Tschechischen Republik geboren. Ich habe noch eine Schwester und zwei Brüder, ein Bruder ist bereits verstorben. Zu Kriegsbeginn 1939 kam mein Vater nach Italien, er musste dort nicht an die vorderste Front, sondern war Bediensteter von hohen Generälen. So war es ihm auch möglich Geld anzusparen, sodass uns vorerst ein gutes Leben möglich war. Meiner Erinnerung nach begann es eines Tages, als wir unseren Gruß auf einen Hitlergruß ändern mussten. Es gab eine Verlautbarung und Strafandrohungen. Es war ein Tag im Juli 1945 als zeitig in der Früh völlig unerwartet die tschechische Miliz auftauchte und uns Kinder mit Süßigkeiten überhäufte. Es war Kriegsende und meinem Vater kam das komisch vor und er versteckte Geld und Schmuck. Am selben Abend kam die Miliz zurück und forderte die Familien auf entweder die tschechische Staatsbürgerschaft anzunehmen oder sofort das Land zu verlassen. Sie stellten dabei die Männer und erwachsenen Söhne an die Zäune und hielten die Gewehre in deren Münder. Es war schrecklich und das ganze Dorf verließ mit wenigen Habseligkeiten diesen Ort. Wir zogen alle nach Großtaxen (Österreich), wo wir für eine Nacht in einem Heuschober schlafen konnten. Bei einer Familie in Reibers fanden wir dann für kurze Zeit eine Herberge. Mein Vater vertraute sich dann russischen Soldaten an, die ihm versprachen ihn zurück nach Wetzles zu bringen um sein Vermögen zu holen. Doch sie verrieten ihn an die tschechische Miliz und er wurde inhaftiert.
Als er nicht mehr zurückkam, wussten wir, dass dies nichts Gutes heißen konnte, und einige Tage später erfuhren wir von unserer Abschiebung nach Deutschland. Eingepfercht in einem Waggon landeten wir nach tagelanger Fahrt in einem Lager in Deutschland. Stunden verbrachten wir auf den Bahnsteigen, in langen Schlangen standen wir für ein Teller Suppe in unerträglicher Hitze. Ich denke heute noch an meine Mutter, die hier völlig allein mit vier Kindern auf Wanderschaft war. Nach etwa zwei Monaten kamen wir dann nach Gräfenberg. Dort gab es Unterkunftszuteilungen, und wir besuchten auch eine Schule. Nebenbei mussten wir bereits arbeiten, denn sonst hatten wir nichts zu essen. Wir suchten in den Wäldern nach Holz zum Heizen, am Feld gruben wir Kartoffeln aus, die die Bauern vergessen hatten. Es war ja mittlerweile eisig kalt und die Kleidung war dürftig. Ich war damals 8 Jahre und das Leben war hart.
Mein Vater kam aus der Gefangenschaft zurück und versuchte nun für uns die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Dieses Verfahren zog sich bis 1949, dann konnten wir endlich wieder zurück nach Österreich. Es war allerdings eine Horrorfahrt, an die ich heute noch denke. Die Fenster der Zugabteile waren verdunkelt, damit man draußen die zerstörten Häuser und vor allem die Schluchten, die wir überqueren mussten, nicht sehen konnte. Man spürte förmlich die Angst, die in der Luft lag. Zurück in Österreich fanden wir für kurze Zeit Unterschlupf bei einer Familie in Reibers, später pachteten meine Eltern ein Haus in Rudolz. Der hohen Pacht wegen aber mussten wir wieder wechseln nach Lexnitz, bis wir dann 1955 endlich ein richtiges zu Hause im Lärchenfeld in Dobersberg fanden. Es war dann unser eigenes Haus, in dem meine Eltern auch verstorben sind.
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