Zeit der Russen

Es war der 7. Mai 1945, als mein Bruder Viktor, unser Freund Stefan aus Kleingerharts und ich von Kautzen nach Hause gingen.
Es dauerte nicht lange, als wir dem Ehepaar Chadim begegneten. Sie erzählten uns, dass in Großtaxen schon die ersten russischen Soldaten eingetroffen waren. Wir sind daraufhin sehr erschrocken.
Als wir durch das Dorf gingen, bekamen wir auch schon den ersten Russen zu sehen. Er lehnte mit einer MP am Hauseck des Gasthauses Theurer. Die Ukrainer, die zu dieser Zeit im Gutshof Ulm arbeiten mussten, kamen singend den Hügel herab, da sie wussten, dass sie ab nun wieder frei sein konnten. Später wurde im Gasthaus Theurer gesungen und musiziert.
Als wir nächsten Tag in die Kirche gingen, wüteten auch schon die Russen im Zollhaus, wo sie über Frauen herfielen und Sonstiges anstellten.
Meine Eltern hatten einen Ukrainer namens Mitre als Arbeiter. Als wir eines Tages in der Küche standen, kam plötzlich der erste Russe in unser Haus. Meine Schwester flüchtete sofort in das hintere Zimmer. Der Russe kam in die Küche und schrie: "Ura! Ures!" Ich war schon bereit meine Uhr herzugeben, als unser Ukrainer mit dem Russen kommunizierte. Der Russe war sehr erstaunt darüber, dass sich ein Verbündeter von ihm im Zimmer befand. Da er so erstaunt war, ließ er uns an diesem Tag in Frieden uns sah von einer Plünderung ab. Einige Stunden später kam Mitre mit einem Fahrrad herangefahren. "Wo hast du das Fahrrad her?" fragte mein Vater.
"Zap, zarap", antwortete er.
Wenige Tage später verließ uns unser Ukrainer und zog in eine uns unbekannte Gegend. Die Lage war in der Zwischenzeit leider nicht besser geworden, sondern im Gegenteil: In den Nächten vertrieben die Russen im Gutshof die Rinder, Pferde und auch mehrere Schweine.
Eines Tages war ich allein zu Hause, als ein Russe in unser Haus trat und sagte: "Vino! Wo ist Vino!" Darauf antwortete ich: "Wir haben keinen Wein im Haus." Doch er ließ sich nicht davon abhalten und ging in das Nebenzimmer. Ich folgte ihm und sah, wie er das Zimmer durchwühlte. Als er bei der letzten Decke angekommen war, hob er sie hoch und fand unsere letzten drei Flaschen Wein. Er nahm eine Flasche nach der anderen und verschüttete sie an die Wände und ins Bett. Als er damit fertig war, ging er mit schnellen Schritt und einem komischen Grinsen aus dem Zimmer.
Einige Tage später hörte man, dass die Russen in Tiefenbach ein Pferd hätten stehlen wollen. Doch der Bauer soll sich in den Weg gestellt haben. Nachdem ihn die Russen mehrere Male ermahnt hatten, schossen sie einfach. Als der Bauer tot umfiel, stellte sich auch der Sohn in den Weg. Die Russen zögerten nicht lange und schossen auch ihn an. Der Sohn starb auf dem Weg ins Spital nach Waidhofen/Thaya.
Auch andere Österreicher blieben nicht verschont, denn einige wurden nach Russland verschleppt und andere wurden wie Tiere verjagt.
Das Leben hat sich nur sehr sehr langsam wieder normalisiert.


 

Oberschlesien
Ohne Marke kein Essen